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Titel:
60x60x60
Künstler:
Norbert Herrmann
Bleistift-Tuschzeichnung
59,4 x 84,1 cm
05-07/2021
website:
http://bit.ly/wORTemap
(Eine Karte mit den Orten von N. Herrmanns Street Art)
Der Künstler über sich
Norbert (aka NoBird aka KeinVogel) Herrmann kommt vom gesprochenen und geschriebenen Wort. Mit Brennpunkt-Ostkreuz und Klimageschichten war er ab 2006 einer der Pioniere des Podcasts.
Seit 1997 lebt Norbert Herrmann in Berlin, nur unterbrochen von zwei Jahren in Johannesburg, Südafrika. Dort schloss er sich einer Poetry Slammer Gruppe an („SkyTo“) und entwarf seine erste Stadtkarte als „Location Based Lyrics & Stories“.
Zurück in Berlin minimierte er seine Wortgeschichten weiter – bis nur noch die wORTEmap als Skelett blieb: eine über ein digitales Rhizom verbundene Intervention über einen weit über die Stadt hinausgehenden Raum. Das Hängen von mit nur einem Wort beschriebenen Astteilen in Bäume.
In der aktuellen Arbeit verzichtet Norbert Herrmann ganz auf Wörter und so entstehen zeichnerische Abbildungen, in schwarz-weiß, als „Herauskratzen einer Gestalt der Erde“.
Werkverzeichnis (Auswahl):
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Location Based Stories Johannesburg: https://tuneplaces.com/johannesburg/
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Slammer CD: https://soundcloud.com/user-80311930/sets/sky-to-radio
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Black and White / Schwarz auf Weiß: Erfahrungen aus Südafrika. Buch im SelfPublishing, gemeinsam mit Enikö Gömöri; https://bit.ly/blackwhitejozi
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Location Based Stories Friedrichshain; http://bit.ly/friedrichsheim
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Kratzer in der Kruste, Gemeinschaftsausstellung mit Florian Simon, Malstoff 2020: https://bit.ly/KrustenKratzer mit limitiertem Katalog „51 Welterklärungen“
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Alles / Nichts, Gemeinschaftsausstellung mit Florian Simon, Malstoff 2021: https://bit.ly/AllesNichts
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Location Based Worte: http://bit.ly/wORTemap
Statement zu 60x60x60 von Florian Simon (mortale.eu)
„60x60x60 ist eine Bleistift-/Tuschezeichnung im Hochformat aus der unermüdlich scheinenden Hand des Kunstschaffenden KeinVogel/NoBird. Das Bild hypnotisiert, zieht in den Bann – wenn man es lässt. Das Bild gehört zu einer Serie, zusammengefasst von einem Ringhheft im DIN-A1-Format: KeinVogels BLOCK. Es stößt eine Vielzahl mathematischer Fragestellung an – von der geordneten Geometrie über die Komplexität der Topografie bis hin zur Schönheit der chaotischen Wiederholungen. Es ist ein feines zartes Netz, gesponnen aus Bleistiftlinien. Die Tusche enthüllt den in den Linien liegenden Zauber. Es wird recht schnell augenscheinlich, dass hier irdischen Gesetzen nachgespürt wird – die Hand des Künstlers/Kunstschaffenden wird zum Medium, und kreiert die Einzigartigkeit der Musterung einer Reptilienhaut, eventuell. Das Dreieck ist prominent, entgegen weiterer Polyeckengebilden. Vielleicht die Darstellung des ewigen Kampfes der Dialektik im Versuch ihrer Entfaltungsdarstellung auf der ungeschichtlichen Fläche. Ein Riss geht durch das Tuschegewebe. Zwei sich ausschließende Gesetze, oben einerseits, unten andererseits. Zerrissene Verzweiflung oder behutsame Annährung?
Alles ist anders, wenn KeinVogel den Anfang ändert, statt mit Tusche anzufangen, fängt er mit einer Auslassung an, oben einerseits, unten andererseits. Bei näherer Beschäftigung mit 60x60x60 fängt die Oberfläche an zu wabern. Hügel und Täler bilden eine dynamische Landkarte mit höchst persönlichen Koordinaten. Es gibt die Formel, wie viele Knotenpunkte dieses Netzgewebe aufzubieten hat, dessen Grundlinien 60 Grad zueinander im Winkel stehen, was der Titel beschreibt. Aber es existiert kein Zentrum, ein Horizont ist nicht in Sicht. KeinVogel bezeichnete sein Tun unter anderem auch als Horizontforschung. So bezeichne ich 60x60x60 als polyhorizontal mit Riss/Spalte/Unvollendung.
LOT1 über das Werk
60x60x60 von Norbert Herrmann wird durch dicht an dicht gedrängte schwarze und weiße Dreiecke konturiert. Ebenso abwechselnd wie ungleich sind diese zu Höfen arrangiert, während die sich daraus ergebende Fläche durch einen weißen, eckig gefransten Bruch geteilt ist. Nach kurzer Betrachtungsdauer löst ihre Struktur aus der Optik bekannte visuelle Illusionen aus. Die klare, visuelle Erkennbarkeit der Darstellung wird durch Seheindrücke abgelöst, die das Werk über seine Zweidimensionalität hinaus in Bewegung zu versetzen scheint, worauf sich die im Werkstitel angedeutete Dreidimensionalität beziehen lässt. Das willentlich bei Seite drängend zeigt sich, dass neben den Dreiecken auch andere Formen, etwa Vier- oder Sechsecke, vorhanden sind, es zeigt sich weiter, dass ein feines Netz aus quer verlaufenden und unterbrochenen Linien die Bildung dieses Formengewirrs, den Bruch inbegriffen, von den Rändern aus bedingt, womit letztlich die konkrete Planung des Künstler offengelegt wird, die zu der vor Augen stehenden komplexen Flächenfiguration geführt hat. Das Zusammensetzen der schier unzähligen schwarzen und weißen Vielecke ebenso wie die Verortung des Bruchs weisen sich damit als Ergebnis einer Akribie und Genauigkeit aus, die zwar augenscheinlich einer mathematisch korrekten Regelmäßigkeit folgt, aber letztlich eine planmäßige Zufälligkeit als allgegenwärtiges bildnerisches Schaffensprinzip vermittelt.
Das Vexierbild und der Blick durch das Kaleidoskop seien vergleichend als feststehende Bildtypen herangezogen. Die wesentlichen Unterschiede finden sich in der Möglichkeit den (hier vage gehaltenen) Begriff Auflösung auf diese anzuwenden. Im Fall des Kaleidoskops löst sich mit zunehmender Zeit der Reiz auf durch den Gegenstand hindurchzublicken. Der Grund dafür ist das sich zwar stets neue, aber doch immer gleich scheinende und damit abnutzende Staunen über die schier unendlich möglichen Bildeinheiten, die unsere Handbewegung herbeizuführen vermag. Die Scharade eines Vexierbild hingegen ist aufgelöst, sobald die enthaltenen Bildeinheiten gefunden sind und der Blick jederzeit in der Lage ist, eine von ihnen auszuwählen.
Norbert Herrmanns Bild hingegen lässt sich nur in einer beständigen Neuaushandlung von Seheindrücken erfassen. Rastlos können die Augen immer nur zum Ausgangspunkt der Betrachtung zurückzukehren und doch werden die Formen und Höfe in ihrem Schwarz und Weiß beständig neue, jenseits der planen Oberfläche zu entstehen scheinende Muster an Kontur gewinnen lassen. 60x60x60s bildliche Präsenz bringt damit eine paradoxe Gleichzeitigkeit von feststehender Bildeinheit und einer gar räumlich auszugreifen scheinenden Bildvielheit hervor, die eine ästhetische Reflexion über das Sehen anleitet. Über die verschiedenen, durchaus gleichzeitigen wie getrennten Blicke der Augen des Körpers, des Geistes, des Herzens und der Seele (oder wie auch immer dieser Kanon in Worte zu fassen ist), verleiht das Werk damit einer gleichzeitigen Fülle wie Endlichkeit des Sehens bildliche Evidenz, die eine Reflexion über die Relativität und Subjektivität der visuellen Erfahrung in sich trägt und letztlich im Generellen die Modalitäten menschlicher Wirklichkeitserfahrung und -wiedergabe umspannt.